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Der „Alte Hammer“ bzw. die Papiermühle in SimmelsdorfDie ehemalige Papiermühle findet durch ihre gefällige Lage an der Schnaittach Beachtung. Die im früheren Zustand hergerichteten Gebäude und das restaurierte und funktionsfähige Mühlrad ergänzen das hübsche Bild des gesamten Mühlkomplexes. Das Aufarbeiten der Geschichte dieser Anlage lässt die wechselreichen Begebenheiten nicht nur der Mühle, sondern des ganzen Ortes Simmelsdorf von Neuem erleben. Natürlich gab es im späten Mittelalter hier noch keine Papiermühle, sondern eine Hammeranlage, die zur Herstellung und Zurichtung von Metall diente. Diese existierte bereits im späten 15. Jahrhundert. In einer Urkunde aus dem Jahre 1534 wird erstmals der Verkauf dieses Messinghammers zu Simmelsdorf vom Eigenherrn Lorenz von Seckendorf an den Nürnberger Bürger und Genannten des Nürnberger Rats Stefan Kanler verbrieft. Seit dieser Zeit ist die Besitzerfolge lückenlos bis zum heutigen Tag nachvollziehbar. Stefan Kanler nannte sich auch Hübner nach seinem Stiefvater, weil dieser aus einem alten ehrbaren Nürnberger Patriziergeschlecht stammte. Kanler wurde nur als „Verleger“ bezeichnet, da er den Hammer in Simmelsdorf durch einen Hammermeister verwalten ließ. Die Familie Kanler war durch den Messinghandel mit Venedig und Lyon so reich geworden, dass sie über den Handel mit Tirol die Monopolstellung des Kupferaufkaufs, neben den Fuggern von Augsburg, erhielt. Im Handelsregister von Lyon ist unter den Nürnberger Handelsherren neben Paulus Tucher auch Andreas Kanler, ein späterer Besitzer dieser Simmelsdorfer Anlage, mit der Zeichnung seiner Handelsmarke aufgeführt. Die Handelsfamilie Kanler besaß in Nürnberg mehrere kostbare Bürgerhäuser sowie die Landsitze Schloß Oberbürg bei Nürnberg und Utzmannsbach, und sie hatte neben der Hammeranlage bei Laufamholz sämtliche Hammerwerke an der Schnaittach und der Naifer (Unternaifermühle, Diepoltsdorf und Simmelsdorf) um den zentralen befestigten Hammersitz Utzmannsbach gruppiert. So konnten sie die Wasserkraft zur Erzeugung der Messingwaren gezielt ausnützen. Auch der Simmelsdorfer Hammer trug zur Produktion von Messinggütern bei, die schließlich in ganz Europa über das Handelsnetz abgesetzt wurden. Deshalb erklärte sich Stefan Kanler beim Kauf dieses Hammers bereit, den für die Größe dieser Anlage überteuerten Zins von sieben Gulden zu bezahlen. In dieser Urkunde wird weiter erwähnt, dass der neue Hammerherr mehrere Knechte und Arbeiter einstellen durfte und für jeden Knecht einen halben Gulden Verspruchgeld zu zahlen hatte. Ebenfalls wurde festgelegt, dass der neue Besitzer für seine Herdstatt (Wohnung) uneingeschränkt Brennholz vom Seckendorfer Eigenherrn zu bekommen hatte. Dafür sollte Kanler das „Klueholz“, das zum Betreiben des Hammers notwendig war, aus den grundherrlichen Wäldern von Simmelsdorf kaufen. Für vier „meß“ dieses Holzes musste er einen Gulden bezahlen. Auch das Holz für die notwendigen Hammerwellen, Räder, Helm- und Keilhölzer sollte er aus den Simmelsdorfer Wäldern aufkaufen. Dagegen erklärte sich Herr von Seckendorf bereit, das neben dem Hammer über den Bach gehende Brücklein immer „peulich“, also in gutem Zustand zu halten. Der Hammerbesitzer war auch, im Gegensatz zu den anderen Mühlenbesitzern, vom Frondienst befreit. Außerdem übernahm Kanler die Schulden von Fritz Seiger und Hans Stiernlein, die auf dem Hammer arbeiteten, nur um sich in Simmelsdorf einkaufen zu können. Besiegelt wurde diese Verkaufsurkunde mit den beiden anhängenden Insiegeln von Lorenz von Seckendorf und Stefan Kanler. Nach 26 Jahren gab es „Irrungen und Zwiespalt“ zwischen dem nunmehrigen Besitzer hans Kanler und den Gebrüdern Georg, Hans und Sebastian von Seckendorf. Da sich die Meinungsverschiedenheiten auf friedlichem Wege nicht bereinigen ließen und man nicht vor Gericht gehen wollte, nahmen beide Parteien Unterhändler, die den Streit schlichten sollten. Die Gebrüder Muffel von Ermreuth auf Seiten der Herren von Seckendorf, der Rechtsgelehrte Dr. Georg Kanler (ein Bruder des Hans) und dessen Syndikus als Vertreter des Hammerbesitzers erstellen im Jahre 1560 einen von allen Beteiligten besiegelten Vertrag zu Schnaittach, in dem festgelegt wurde, dass Hans Kanler einen bestimmten Handlohnbetrag an die Gebrüder von Seckendorf zu zahlen hatte. Dafür sollten die Gebrüder einen besiegelten Erbbrief ausstellen. Darüber hinaus mussten die Schlossherren von Seckendorf an Hans Kanler 50 „meß“ Holz gegen Bezahlung geben und weitere 50 „mess“ Holz schenken. Weiterhin wurde beschlossen, dass der Hammerherr das an die Mutter der Herren von Seckendorf geliehene Geld in Höhe von 30 Gulden vollständig erlassen sollte. Auch die zwölf Ster guten Holzes, das Kanler den Seckendorfern zum „Seugarten“ geliehen hatte, durfte er zur Erhaltung des nachbarlichen Friedens nicht mehr zurück erwarten. Beide Parteien nahmen den ausgearbeiteten Vertrag anstandslos an. Der neue Besitzer vergrößerte zusammen mit seinen drei Brüdern das Unternehmen zu einem Großhandelsimperium, das aber schließlich durch Geldanleihen und Beteiligungen in Spaniern und Frankreich in übermäßige Schulden geriet, so dass es nach verschiedenen Staatsbankrotten enorme Verluste hinnehmen musste. 1576 wurde deshalb ein Kurator über die Kanlerischen Güter bestellt, der durch den Verkauf der Hämmer und Herrensitze so viel Geld wie möglich herausholen sollte. So liegt auch über das Simmelsdorfer Hammerwerk eine Urkundenabschrift aus diesem Jahr vor, die den Verkauf dieser Anlage beinhaltet. Der Hammer ging mit allen Lasten an Andreas Kanler (ein Neffe des früheren Besitzers) über, der die Handelsgesellschaft in verkleinertem Maße von Neuem aufzubauen versuchte. Da inzwischen der Herrensitz Simmelsdorf an die Herren Türriegel von Riegelstein überging, wurde im Vertrag festgehalten, dass das „Meßing Hämerlein sambt den Werckzeug und darbey ligenden Heußlein und Gertlein“ mit Vorwissen und Bewilligung des Junkers Türriegel auf Simmelsdorf für 200 Gulden „guter, ganghafter Reichsmünz“ als Kaufsumme von Andreas Kanler übernommen wurde. Nach dem Versterben Andreas Kanlers erwarb 1616 dessen Sohn Andreas der Jüngere den Hammer zu Simmelsdorf. Wie aus einer Notiz von Endres Tucher, dem Verwalter des nunmehr Tucherschen Gutes in Simmelsdorf, zu entnehmen ist, zahlte Kanler als Handlohn den zehnten Teil des Wertes, also 25 Gulden, als eine Art Erbschaftssteuer. Das Tucher-Salbuch von Simmelsdorf aus dem Jahre 1625 bestätigt das Herrengeld für den Hammer zu Simmelsdorf in Höhe von sieben Gulden und als weitere Abgaben eine Fastnachthenne, ein Rauchhuhn und von jedem Knecht einen halben Gulden Verspruchgeld. Man sieht, dass die Abgaben im Laufe eines Jahrhunderts von der Herrschaft nicht erhöht wurden. „Weiln dieser Hammer im Schwedischen Wesen (Dreißigjähriger Krieg) ganz und gar in die Aschen gelegt worden“, heißt es weiter, wurde die nun öd liegende Hofstatt schließlich an Moritz Crotta verliehen, der dafür jährlich einen Gulden an die Herren von Tucher zu verrichten hatte. Diese Zahlungen wurden konstant bis 1659 geleistet. Allerdings nahm den Hammer acht Jahre vorher Christoph Öpfelbach in Bestand, der zwar auf einem anderen Gut in Simmelsdorf wohnte, scheinbar aber den Garten bzw. das halbe Tagwerk Wiese bewirtschaftete. Mit dem Jahre 1659 kommt es zu einer einschneidenden Veränderung dieser Anlage. Der abgebrannte und öd liegende, folglich der Herrschaft heimgefallene Hammer wurde von Hans Sebastian Tucher von Simmelsdorf an Hans Leupold, Müller von Simmelsdorf, verliehen. Dieser Müller hatte bereits 1645 die andere Mühle des Ortes in seinen Besitz gebracht und mit Bewilligung und finanzieller Unterstützung der Herren von Tucher den Hammer zu einer Farbmühle ausgebaut. Genau 40 Jahre blieb die Mühle im Besitz der Familie Leupold, bis schließlich im Jahre 1696 Johann Weber aus Nürnberg die Simmelsdorfer Farbm��hle von den Leupoldschen Erben um 575 Gulden kaufte. Nur vier Jahre nannte es Johann Weber sein Eigen, bis er wiederum die ganze M������hlenanlage mit 100 Gulden Gewinn an Adam Hyronimus Oheim, einem Papierhändler in Nürnberg, verkaufte. Dieser baute die Farbbrennhütte mit Wissen der Herren von Tucher zu einer Papiermühle aus. 1701 war sie fertiggestellt. Seit dieser Zeit ist der Name „Papiermühle“ mit dieser Anlage verbunden. Die Herren von Tucher hatten ihr Papier aus der Simmelsdorfer Papiermühle bezogen. In den Rechnungsbüchern dieser Patrizierfamilie kann man häufig den Ankauf von Papier und dessen Übersendung nach Nürnberg nachlesen. Verständlich, denn die Simmelsdorfer Papierer durften mit ausdrücklicher Genehmigung das Wappen der Freiherren von Tucher als Wasserzeichen benutzen. Viele, heute noch vorhandene Tuchersche Amtsbücher dieser Zeit sind auf Simmelsdorfer Papier geschrieben. Als 1728 Herr Oheim starb, übernahm dessen Sohn Johann Adam Oheim für 1000 Gulden diese Mühle von der Erbgemeinschaft und bezahlte 100 Gulden Handlohn an den Obereigentümer. Bereits 15 Jahre später wurde die Mühle mit einem Gewinn von 200 Gulden an den Papierer Johann Christoph Bernhaupt weiterverkauft, obwohl die Wohnbehausung zu dieser Zeit völlig abgebrannt war. Dieser bezahlte nicht bar, sondern entrichtete den Teilbetrag von 400 Gulden und trug die restlichen 800 Gulden jährlich mit 75 Gulden ab. Es wurde eine Verzinsung von 2 Prozent ausgehandelt. Über zehn Jahre dauerte daher die Abtragung der restlichen Schuld. In einer Beschreibung des Rittergutes Simmelsdorf dieser Zeit wird erwähnt, dass außer der Papiermühle ein Wohnhaus mit zwei Feuerrechten, ein Röhrbrunnen und ein Backofen existierte, nebst einem halben Tagwerk Wiese bzw. Baumgarten. Auffallend ist das immer noch gleich bleibende Herrengeld von sieben Gulden, trotz stetiger Geldentwertung. Heute unvorstellbar. Im Jahre 1809 wurde der Nachkomme Johann Christoph Bernhaupt als Besitzer der Papiermühle erwähnt. Schließlich kam die Mühle an die Familie Holfelder, als der damalige Papierer Georg Holfelder zu Simmelsdorf als Wasserzeichen die bayerische Königskrone mit Zepter und Schwert, umgeben von einem Lorbeerkranz, einführte. Nur insgesamt eineinhalb Jahrhunderte überdauerte die Papiermühle, bis sie 1861 vom neuen Besitzer Heinrich Drexler in eine Glasschleife und später in eine Bronzefabrik umgewandelt wurde. Am 19. März 1880 verkauft Heinrich Drexler, Glasschleifbesitzer in Simmelsdorf, die Papiermühle, Wohnhaus (Haus Nr. 23), Backofen, Scheuer, Schweinstall, Hofraum, das sogenannte Taglöhnerhaus (Haus Nr. 24) und Pflanzgarten für 17.142 Mark 86 Pfennig an das Freiherrlich von Tucher’sche Gesamtgeschlecht in Nürnberg. Die Familie Graf, Simmelsdorf, kaufte am 30. März 1976 von der Lorenz von Tucher’schen Stiftung Nürnberg das gesamte Anwesen mit Wohnhaus, Bronzefabrik, Nebengebäude, Hofraum und Garten samt Wasserrecht. Nach genauen und sehr interessanten Befunduntersuchungen renovierte der begeisterte Denkmalschützer und Architekt Volker Graf das gesamte Anwesen in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege und setzte das große Wasserrad mit erheblichem Aufwand wieder in Betrieb, das seither Strom in das öffentliche Stromnetz einspeist. Etliche Jahre war die „Simmelsdorfer Fahrradmühle“ weithin ein Begriff, dann wurde die Simmelsdorfer Mühle über 10 Jahre ein Ort für Theater und Kabarett. Jetzt finden in dem traditionsreichen und geschichtsträchtigen Gebäude dieses Mühlenkomplexes und früheren Hammers Konzerte aller Musikrichtungen statt. Dr. Volker Alberti |