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Samstag, 20. November 2004, 19:30 Uhr FialkeKlezmermusik „Wir möchten sie heute Abend mitnehmen auf eine Reise ins jüdische Osteuropa um 1900, zu einer Hochzeitsgesellschaft“ – mit diesen einführenden Worten von Monika Feil, Sängerin und Violinspielerin, begann am Samstag der Konzertabend der Klezmergruppe „Fialke“ in der Kulturscheune in Schnaittach. Wie üblich erfreuten die zahlreichen Gäste sich aber nicht nur an diesem musikalischen Leckerbissen, sondern genossen auch in gemütlichem Ambiente Leberwurstbrot und Wein. „Ein ‚Klezmer‘ ist einfach nur die jiddische Übersetzung von Musiker“, erklärt Monika Feil weiter, die ihr Publikum zwischen den Stücken immer an die Hand nimmt. So erfahren die Zuschauer viel Wissenswertes über Bedeutung und Inhalt der Stücke sowie jiddische Musik im Allgemeinen. Das erste Stück des Abends, das Monika Feil, Emuk Kungel (Akkordeon), Joachim Pohl (Klarinette) und Tomasz Radomski (Kontrabass) spielen, ist eine rumänische Doina. Dabei handelt es sich um ein Klagelied, das bei Tisch improvisiert wurde. Voll Melancholie berichten Klarinette und Geige von ihrem Schmerz, begleitet vom leisen Leid des Akkordeons und dem gemütlichen Grummeln des Basses. Aber wie es typisch für die jiddische Musik ist, liegen Freud und Leid nah beieinander. Bei einer Hochzeit wird schließlich gefeiert, und so folgen im Anschluss zwei rumänische Tänze. Alle Instrumente sind aufgewacht und wetteifern in Schnelligkeit und Virtuosität. Der Boden der Kulturscheune vibriert von den vielen Füßen, die im Takt mitwippen. Monika Feil beherrscht nicht nur die Geige, sondern singt auch. Auf Jiddisch natürlich. Diese Sprache ist verwandt mit dem Mittelhochdeutschen, weshalb auch wir noch ein paar Brocken verstehen. Die meisten Lieder erzählen recht lustige Geschichten. Eines handelt von Abraham und Rebecca bei ihrer ersten Begegnung. Hier zeigt sich einmal wieder, dass Männer doch zu allen Zeiten und in allen Kulturkreisen gleich sind, denn Abraham fordert: „Ach Rebecca, gib mir doch deinen Mund.“ Frauen haben es eben nicht leicht. Darüber hinaus wird die arme Braut vor der Trauung zum Weinen gebracht, indem ein Zeremonienmeister Horrorgeschichten über ihre zukünftigen Pflichten als Ehefrau erzählt. Denn auf diese Weise soll sie vor der Hochzeit ihre Sünden bereuen. Im 20. Jahrhundert übernimmt diese Rolle die Klarinette. Und so erhebt die Klarinette von Joachim Bohl ihren Zeigefinger und schüchtert in dramatischen Höhen alle Bräute um Zuschauerraum ein. Man merkt den Musikern generell die Freude an ihrem Instrument und der jiddischen Musik an. Obwohl alle vier Musiker „Gojims“ sind, also nicht der jüdischen Religion angehören. Mit Charme und Gefühl singt Monika Feil die Lieder, die von den Erlebnissen im Alltag handeln. Ganz versunken in sein Akkordeonspiel ist Emuk Kungl, wenn er mit geschlossenen Augen und einem Grinsen im Gesicht die Tasten und Knöpfe seines Instruments betätigt. Aber auch die schönste Hochzeit geht früher oder später zu Ende, und so spielen „Fialke“ ein „Gute Nacht“. „Es gibt ziemlich viele Gute-Nacht-Stücke. Das lässt vermuten, dass die Musiker wohl mehr als eines gebraucht haben, um die Festgesellschaft zum Gehen zu bewegen“, erklärt Monika Feil schmunzelnd. Auch an diesem Abend verlangen die Gäste nach einer Zugabe. Dieser gemütliche Abend bei Musik und Wein war allerdings nicht nur für die Zuschauer ein Gewinn, sondern wie immer auch für die Wohltätigkeitsprojekte der Kulturscheune. Voller Freude las Lis Graf, Organisatorin der Veranstaltung, einen Brief aus Santa Cruz in Bolivien vor. Der örtliche Priester beschreibt darin das gute Vorankommen mit dem Bau eines Schülerheims für 50 Jungen und Mädchen ab zehn Jahren. Lis Graf bedankte sich bei den Gästen und versprach, dass auch in Zukunft mit den Erlösen aus den Veranstaltungen soziale Projekte in Tansania und Bolivien unterstützt werden. Kathrin Wild |